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Warten auf Gottes Gerechtigkeit

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Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt von aller Freude,
seh´ ich ans Firmament nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt, ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!

Dieses Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe kam mir als erstes in den Sinn, nachdem ich diesen Bibelabschnitt las. Wie schlimm ist die Sehnsucht nach der abwesenden Geliebten. Es tut weh, sich so von aller Freude abgetrennt, ja abgeschnitten zu fühlen. Man spürt geradezu den körperlichen Schmerz, der aus diesen Worten spricht.

„Jene Seite“ – das deute ich auf die heile und lichte Welt des lebendigen Gottes. Und dann kann mich das weitaus heftigere Gefühl beschleichen: Gott ist nicht da. Er weiß nichts. Er kümmert sich nicht. Oder wir sind ihm gleichgültig. Oder er kriegt zwar mit, wie es uns geht, aber es lässt ihn kalt. Chaos und Ungerechtigkeit nehmen im Land überhand. Recht wird durch Macht entschieden. Wer lügt, liegt obenauf. Freude an und in Gott scheint eingefroren. Hoffen auf sein Eingreifen strengt zu sehr an, denn „Hoffen und Harren hält manchen zum Narren“.

Solange alles glatt läuft, fällt es nicht schwer, an einen liebenden und treuen Gott zu glauben. Es kostet nichts. Dann aber erhebt sich ein Sturm. Die Anfechtung wird zum Dauerzustand. Das ist eine ganz andere Sache. Dann ist meine Geduld schnell aufgebraucht. Alles „sollte-könnte-müsste“ ist kein echter Trost. Ich glaube zwar an Gottes Gegenwart – will es zumindest -, aber das Gegenteil ist mein ständiger Begleiter – das ist schon hart. Und ich kann den erbärmlichen Schrei bestens verstehen: „HERR, wie lange noch?“ Ein solches Bibelwort wie Psalm 23, 4 kann mich völlig kalt lassen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir“ – solange ich noch nie in einem solchen Tal dringesteckt habe. Gemeint ist damit eine Erfahrung oder Situation, in der mich der Tod bedroht und umgibt. Schlagartig begreife ich, was der Trost Gottes wirklich bedeutet, wenn sich alles ändert und die Katastrophe über mich hereinbricht – das haben meine Frau und ich leibhaftig erlebt. Dann bleibt wirklich nichts mehr, als dass ich meine Zuversicht setze auf Gott den HERRN. Aber das zu sagen und das wirklich zu tun und auszuhalten, ist doch was anderes.

Wie immer: Die Länge trägt die Last! Das gehört zu den härtesten Anfechtungen im Glauben: Von Gottes Barmherzigkeit zu wissen – aber nichts davon zu erleben. Von Seiner Gerechtigkeit zu wissen, aber ringsum das Gegenteil zu sehen: Himmelschreiende Ungerechtigkeit. Zu sehen, wie die Ehre Gottes mit Füßen getreten wird. Dabei soll doch Gottes Ehre unser höchstes Streben gelten! Zwischen unserem Glauben an die Treue und Barmherzigkeit Gottes und unserer Erfahrung klafft oft ein tiefer Riss: Alles oder vieles geht drunter und drüber und ist aus dem Lot geraten. Das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen und erkennen, nennt man Empirie. Und im griechischen Wort für „Anfechtung“ bzw. „Versuchung“ steckt die gleiche sprachliche Wurzel.

Der schreiende Widerspruch zwischen Glauben und gegenwärtiger Erfahrung ist immer wieder Gegenstand von tiefer Anfechtung. Das muss Gottes Volk Israel bis auf den heutigen Tag ertragen. Es ist gerade von allen Seiten schwer bedrängt und angefeindet. Und das macht dieses Gotteswort aus dem Buch des Propheten Jesaja so brennend aktuell und erschreckend modern. Das muss buchstäblich die Hölle sein: Gott von ferne sehen, aber nicht zu ihm kommen können. Der Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ war bitterste entsetzliche Realität und keine fromme Show!

„Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide.“ Ernsthafte, tiefe Sehnsucht nach Gottes Reich. Sehnsucht nach Gottes Recht. Sehnsucht nach seiner für alle Welt sichtbaren Gerechtigkeit. Sehnsucht danach, dass sich Gottes unumschränkte Macht endlich und endgültig durchsetzt. Solange das nur irgendwelche schwärmerisch-fromme Wünsche bleiben, ist das nichts wert. Unter der Abwesenheit von Gottes Recht leidet die ganze Schöpfung bis auf den heutigen Tag. Dass andere falsche Herren Gottes Gerechtigkeit scheinbar erfolgreich verdrängen, davon ist unsere Zeit geprägt und überall mit Händen zu greifen.

Dass Gottes Gebot klug macht, davon kann zurzeit keine Rede sein. Beispiele aufzuzählen, erspare ich mir. Denn davon gibt’s genug, in allen Bereichen der Politik und der Gesellschaft. Aber uns bedrohen und beherrschen auch die Sünde und der Tod. Es ist immer noch so: Die Sterblichkeitsrate bei uns in Bienenbüttel, hier in Deutschland – ja weltweit liegt bei satten 100 %. Und diese Herren können wir nicht einfach durch irgendeinen Kraftakt abschütteln. Unser guter Wille gebiert oft genug nichts anderes als Wind oder heiße Luft.

Hinter dem sehnsuchtsvollen Ruf: „HERR, wie lange noch?“ verbirgt sich ja im tiefsten Grund das tiefe Vertrauen: Er wird zu seiner Zeit eingreifen. Er wird unbedingt handeln. Er wird retten und heben und tragen. Gott kommt spätestens rechtzeitig. Das hört sich dann zum Beispiel so an: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn…“ Der Glaube an den lebendigen Gott ist eben kein Aberglaube, sondern ein Aber-dennoch-Glaube. Dennoch wird Gottes Treue bleiben. Dennoch wird seine Barmherzigkeit siegen. Dennoch wird sich seine Gerechtigkeit am Ende für alle Welt sichtbar durchsetzen – zu seiner Zeit, die er allein bestimmt. Das hat etwas Trotziges und richtet sich gegen den Augenschein: „HERR, auf dein Wort hin will ich es wagen.“ Größer als der Helfer ist die Not ja nicht.

Und das können wir endgültig wissen und sollen wir im Herzen bewahren: Gottes Gerechtigkeit und sein Recht ist der allumfassende und allein gültige unverbrüchliche Maßstab, nach dem alle Welt ihr Urteil nimmt. Sein heiliges gutes Wort bleibt für alle Zeit. Und sein Reich wird endgültig anbrechen. Die neue Schöpfung wird Wirklichkeit – Gottes Wort verheißt es. Sein Wort fällt nicht hin. Und Menschen, die im Vertrauen auf Gott gestorben sind, werden leben: Seine Toten werden auferstehen. Das ist unsere Hoffnung.

Autor: Joachim Opitz


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Allein und abgetrennt von aller Freude,
seh´ ich ans Firmament nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt, ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!

Dieses Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe kam mir als erstes in den Sinn, nachdem ich diesen Bibelabschnitt las. Wie schlimm ist die Sehnsucht nach der abwesenden Geliebten. Es tut weh, sich so von aller Freude abgetrennt, ja abgeschnitten zu fühlen. Man spürt geradezu den körperlichen Schmerz, der aus diesen Worten spricht.

„Jene Seite“ – das deute ich auf die heile und lichte Welt des lebendigen Gottes. Und dann kann mich das weitaus heftigere Gefühl beschleichen: Gott ist nicht da. Er weiß nichts. Er kümmert sich nicht. Oder wir sind ihm gleichgültig. Oder er kriegt zwar mit, wie es uns geht, aber es lässt ihn kalt. Chaos und Ungerechtigkeit nehmen im Land überhand. Recht wird durch Macht entschieden. Wer lügt, liegt obenauf. Freude an und in Gott scheint eingefroren. Hoffen auf sein Eingreifen strengt zu sehr an, denn „Hoffen und Harren hält manchen zum Narren“.

Solange alles glatt läuft, fällt es nicht schwer, an einen liebenden und treuen Gott zu glauben. Es kostet nichts. Dann aber erhebt sich ein Sturm. Die Anfechtung wird zum Dauerzustand. Das ist eine ganz andere Sache. Dann ist meine Geduld schnell aufgebraucht. Alles „sollte-könnte-müsste“ ist kein echter Trost. Ich glaube zwar an Gottes Gegenwart – will es zumindest -, aber das Gegenteil ist mein ständiger Begleiter – das ist schon hart. Und ich kann den erbärmlichen Schrei bestens verstehen: „HERR, wie lange noch?“ Ein solches Bibelwort wie Psalm 23, 4 kann mich völlig kalt lassen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir“ – solange ich noch nie in einem solchen Tal dringesteckt habe. Gemeint ist damit eine Erfahrung oder Situation, in der mich der Tod bedroht und umgibt. Schlagartig begreife ich, was der Trost Gottes wirklich bedeutet, wenn sich alles ändert und die Katastrophe über mich hereinbricht – das haben meine Frau und ich leibhaftig erlebt. Dann bleibt wirklich nichts mehr, als dass ich meine Zuversicht setze auf Gott den HERRN. Aber das zu sagen und das wirklich zu tun und auszuhalten, ist doch was anderes.

Wie immer: Die Länge trägt die Last! Das gehört zu den härtesten Anfechtungen im Glauben: Von Gottes Barmherzigkeit zu wissen – aber nichts davon zu erleben. Von Seiner Gerechtigkeit zu wissen, aber ringsum das Gegenteil zu sehen: Himmelschreiende Ungerechtigkeit. Zu sehen, wie die Ehre Gottes mit Füßen getreten wird. Dabei soll doch Gottes Ehre unser höchstes Streben gelten! Zwischen unserem Glauben an die Treue und Barmherzigkeit Gottes und unserer Erfahrung klafft oft ein tiefer Riss: Alles oder vieles geht drunter und drüber und ist aus dem Lot geraten. Das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen und erkennen, nennt man Empirie. Und im griechischen Wort für „Anfechtung“ bzw. „Versuchung“ steckt die gleiche sprachliche Wurzel.

Der schreiende Widerspruch zwischen Glauben und gegenwärtiger Erfahrung ist immer wieder Gegenstand von tiefer Anfechtung. Das muss Gottes Volk Israel bis auf den heutigen Tag ertragen. Es ist gerade von allen Seiten schwer bedrängt und angefeindet. Und das macht dieses Gotteswort aus dem Buch des Propheten Jesaja so brennend aktuell und erschreckend modern. Das muss buchstäblich die Hölle sein: Gott von ferne sehen, aber nicht zu ihm kommen können. Der Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ war bitterste entsetzliche Realität und keine fromme Show!

„Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide.“ Ernsthafte, tiefe Sehnsucht nach Gottes Reich. Sehnsucht nach Gottes Recht. Sehnsucht nach seiner für alle Welt sichtbaren Gerechtigkeit. Sehnsucht danach, dass sich Gottes unumschränkte Macht endlich und endgültig durchsetzt. Solange das nur irgendwelche schwärmerisch-fromme Wünsche bleiben, ist das nichts wert. Unter der Abwesenheit von Gottes Recht leidet die ganze Schöpfung bis auf den heutigen Tag. Dass andere falsche Herren Gottes Gerechtigkeit scheinbar erfolgreich verdrängen, davon ist unsere Zeit geprägt und überall mit Händen zu greifen.

Dass Gottes Gebot klug macht, davon kann zurzeit keine Rede sein. Beispiele aufzuzählen, erspare ich mir. Denn davon gibt’s genug, in allen Bereichen der Politik und der Gesellschaft. Aber uns bedrohen und beherrschen auch die Sünde und der Tod. Es ist immer noch so: Die Sterblichkeitsrate bei uns in Bienenbüttel, hier in Deutschland – ja weltweit liegt bei satten 100 %. Und diese Herren können wir nicht einfach durch irgendeinen Kraftakt abschütteln. Unser guter Wille gebiert oft genug nichts anderes als Wind oder heiße Luft.

Hinter dem sehnsuchtsvollen Ruf: „HERR, wie lange noch?“ verbirgt sich ja im tiefsten Grund das tiefe Vertrauen: Er wird zu seiner Zeit eingreifen. Er wird unbedingt handeln. Er wird retten und heben und tragen. Gott kommt spätestens rechtzeitig. Das hört sich dann zum Beispiel so an: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn…“ Der Glaube an den lebendigen Gott ist eben kein Aberglaube, sondern ein Aber-dennoch-Glaube. Dennoch wird Gottes Treue bleiben. Dennoch wird seine Barmherzigkeit siegen. Dennoch wird sich seine Gerechtigkeit am Ende für alle Welt sichtbar durchsetzen – zu seiner Zeit, die er allein bestimmt. Das hat etwas Trotziges und richtet sich gegen den Augenschein: „HERR, auf dein Wort hin will ich es wagen.“ Größer als der Helfer ist die Not ja nicht.

Und das können wir endgültig wissen und sollen wir im Herzen bewahren: Gottes Gerechtigkeit und sein Recht ist der allumfassende und allein gültige unverbrüchliche Maßstab, nach dem alle Welt ihr Urteil nimmt. Sein heiliges gutes Wort bleibt für alle Zeit. Und sein Reich wird endgültig anbrechen. Die neue Schöpfung wird Wirklichkeit – Gottes Wort verheißt es. Sein Wort fällt nicht hin. Und Menschen, die im Vertrauen auf Gott gestorben sind, werden leben: Seine Toten werden auferstehen. Das ist unsere Hoffnung.

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